War es das Hauptbeben?

Bislang war es nicht m?glich vorherzusagen, ob auf ein starkes Beben wahrscheinlich ein noch gr?sseres folgt oder nicht. Eine neue Studie von Forscherinnen und Forschern des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich macht Hoffnung darauf, Voraussagen in fast Echtzeit machen zu k?nnen.

In Zentralitalien ereignete sich 2016 ein sehr starkes Erdbeben, gefolgt durch ein noch stärkeres Nachbeben, welches Dörfer und Städte in Schutt und Asche legte. (Bild: keystone)
In Zentralitalien ereignete sich 2016 ein sehr starkes Erdbeben, gefolgt durch ein noch st?rkeres Nachbeben, welches D?rfer und St?dte in Schutt und Asche legte. (Bild: keystone)

W?hrend sich die meisten grossen Beben nicht durch Vorbeben ankünden, ereignen sich im Anschluss daran immer tausende von Nachbeben. Deren H?ufigkeit und St?rke nimmt jeweils mit der Zeit ab. In manchen F?llen folgt aber auf ein grosses Beben ein noch st?rkeres. Das trifft beispielsweise auf die Bebensequenzen in Zentralitalien im Jahr 2016 zu oder auf jene bei Ridgecrest (USA) im Juli dieses Jahres.

Bislang war es nicht m?glich vorherzusagen, ob auf ein starkes Beben wahrscheinlich ein noch gr?sseres folgt oder nicht. Die Resultate einer soeben in der Fachzeitschrift ?Nature? publizierten Studie von Laura Gulia und Stefan Wiemer vom Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich wecken die Hoffnung, dazu bald in Echtzeit in der Lage zu sein. Diese wissenschaftliche Entdeckung h?tte weitreichende Folgen für den Bev?lkerungsschutz: Entscheidungen über die Evakuationen von Personen k?nnten verl?sslicher getroffen werden, Rettungskr?fte ihre Arbeit entsprechend ausrichten oder kritische Infrastrukturen Kraftwerke geschützt werden.

Ausgehend von aktuellen Bebendaten haben die Autoren der Studie eine Methode entwickelt, mit der sich bestimmen l?sst, ob eine Bebensequenz eher ausklingt oder ein noch gr?sseres Beben folgt. Als relevante Messgr?sse untersuchten sie den sogenannten b-Wert. Er kennzeichnet das Verh?ltnis zwischen der Gr?sse und der Anzahl Beben. Aus Labormessungen weiss man, dass er indirekt den Spannungszustand der Erdkruste angibt. In seismisch aktiven Regionen ist er in der Regel nahe 1. Das heisst, es ereignen sich etwa 10-mal mehr Magnitude-3-Beben als solche mit einer Magnitude von 4 oder gr?sser.

Ampelsystem entwickelt

Die Forschenden haben nun nachgewiesen, dass sich der b-Wert im Zuge einer Bebensequenz systematisch ver?ndert. Dazu untersuchten sie die Daten von 58 Bebensequenzen und entwarfen ein Ampelsystem, das ihre künftige Entwicklung anzeigt. Bei einer Abnahme des b-Werts um 10 Prozent oder mehr geht die Ampel auf Rot. Das heisst, es besteht akute Gefahr für ein noch gr?sseres Beben. In den allermeisten F?llen steigt der b-Wert hingegen um 10 Prozent oder mehr und die Ampel geht auf Grün und gibt damit Entwarnung. In diesem Fall ist von einer typischen Nachbebensequenz auszugehen, die mit der Zeit ausklingt. Ausgehend von den untersuchten Datens?tzen trifft dies auf 80 Prozent der Sequenzen zu. Gelb zeigt die Ampel, wenn die Zu- oder Abnahme weniger als 10 Prozent betr?gt und daher unklar ist, wie es weitergeht.

Das entwickelte Ampelsystem bew?hrte sich in 95 Prozent der untersuchten F?lle: Die beobachtete Ver?nderung des b-Werts zeigte, wie sich eine Sequenz entwickelt, also ob noch ein gr?sseres Beben folgt oder nicht. Weitere ?berprüfungen mit zus?tzlichen Datens?tzen sind jedoch unbedingt notwendig, bevor ein solches System effektiv für den Bev?lkerungsschutz eingesetzt werden k?nnte. Für eine erfolgreiche Anwendung ben?tigt es zudem ein dichtes seismisches Netzwerk und entsprechende Datenverarbeitungskapazit?ten. Darüber verfügen derzeit l?ngst nicht alle Regionen, die von einem solchen Ampelsystem profitieren k?nnten.

Literaturhinweis

Gulia L, Wiemer S. Real-time discrimination of earthquake foreshocks and aftershocks. Nature, 2019, published online Oct 9th. DOI: externe Seite10.1038/s41586-019-1606-4

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